Wissen
Strohballenhäuser
Seit über 100 Jahren wird besonders in Nordamerika mit Strohballen gebaut. Und die Vielzahl der gebauten Beispiele belegt, dass mit diesem Baustoff gesunde, haltbare, kostengünstige und auch mehrgeschossige Bauten errichtet werden können.
Auch in Europa wächst seit mehreren Jahren das Interesse am Strohballenbau. Es ist also nicht verwunderlich, wenn sich immer mehr Architekten mit dieser Art ökologisch zu bauen beschäftigen. Viele genehmigte und bewohnte Häuser zeugen von einer steigenden Akzeptanz.
Moderne Minergiehäuser sind technisch kein Problem mehr. Es stellt sich jedoch je nach Bauweise die Frage, wie viel Graue Energie in einem Gebäude steckt, bis es bezugsfertig ist. Das heisst, wie viel Energie wurde für die Gewinnung der Rohstoffe, Herstellung und Transport der Baumaterialien wie Steine, Beton, Dämmung, etc. benötigt. Stroh jedoch fällt als landwirtschaftliches Nebenprodukt an. Die zur Herstellung benötigte Energie entfällt auf das Pressen der Strohballen und auf den Transport zur Baustelle, wobei hier die Wege in der Regel kurz sind.
Konstruktion
Strohballen im Holzriegelbau: Eine Möglichkeit mehrgeschossige Häuser mit Strohballen zu konstruieren ist der Einsatz des Baustoffs im Holzriegelbau. Schon im Mittelalter wurden Fachwerkbauten teilweise mit diesem System erstellt. Das Holzgerüst übernimmt die statische Funktion, während die Strohballen als Ausfachung den Wandaufbau und die Wärmedämmung übernehmen.
Strohballen als tragende Elemente: Hier werden die Strohballen wie Ziegel im Verband mit Wandstärken bis zu 130 cm verlegt und übernehmen nicht nur die reine Hüllfunktion und die Wärmedämmung, sondern auch statische Aufgaben. Hierbei ist auf eine gute Verdichtung und Pressung der Konstruktion zu achten. Die etwa einen Monat dauernde Setzungsphase muss berücksichtigt werden.
Verputz
Auf eine Dampdiffusionsoffene Konstruktion achten. Kunststoffputze sind weder geeignet noch der Ökobilanz zuträglich. Reine Lehmputze oder Lehmputz mit hydraulischem Kalk und Kalksand sind die ideale Ergänzung für Strohballenhäuser. Wann welches Putzsystem mit welchem Aufbau zum Einsatz kommt, immer mit dem Fachmann besprechen.
Brandverhalten
Verputzte Wandkonstruktionen aus Strohballen haben eine hohe Brandbeständigkeit, die für den Einsatz im Einfamilienhausbereich in hohem Masse ausreicht.
Feuchtigkeit
Die Feuchtigkeit ist ein Vorbehalt beim Bauen mit Stroh. Wenn ein Bauteil kurzfristig nass wird und wieder austrocknen kann, besteht keine Gefahr. Wenn wichtige Grundregeln eingehalten werden, wird es kaum zu Problemen kommen. Dies gilt besonders für ein gutes Fundament, eine Absperrung gegen aufsteigende Feuchtigkeit und Nässe, die Verwendung von trockenem Stroh und ein ausreichender Dachüberstand, um die Fassade zu schützen.
Schädlinge und Ungeziefer
Dem Nagetierbefall von Strohballenwänden kann man durch engmaschige Drahtnetze unter dem Putz vorbeugen. Stroh jedoch biete keinen besonderen Anziehungspunkt für Kleinnager und Insekten, da daraus keine Nährstoffe gewonnen werden können. Einzig als wärmende Behausung ist die Konstruktion, wie auch andere Wärmedämmungen eventuell interessant. Nach Fertigstellung und Endputz ist das mögliche Problem somit in der Regel eliminiert.
Kosten
Die Kosten liegen je nach Aufwand und möglicher Eigenleitung während der Bauphase deutlich unter denen des herkömmlichen Wohnungsbaus. Einsparungen bis zu 20% sind möglich.
Klimaschutz
Strohballenhäuser tragen gleich mehrfach zum Klimaschutz bei.
- Die Pflanze entnimmt beim Wachsen CO2 aus der Atmosphäre
- Die um ein Vielfaches geringere Herstellungsenergie im Vergleich zu den meisten gängigen Baustoffen spart zusätzlich CO2 ein
- Sehr gute Wärmedämmeigenschaften. Dadurch geringer Heizenergieverbrauch und weniger Schadstoffe in der Luft durch baubiologisch hochwertige Materialauswahl.
Vorteile:
- Massive Reduzierung des Heizwärmebedarfs durch die hochwärmedämmende Bauweise
- Sehr gute Schalldämmwerte durch die massive Bauweise
- Der niedrige Primärenergiegehalt: Im Vergleich zu Mineralwolle oder geschäumten Dämmstoffen wird zur Herstellung etwa 100 Mal weniger Energie benötigt
- Durch die nachwachsenden und regional verfügbaren Rohstoffe (Lehm, Stroh, Holz, etc.) sind die Gebäude extrem umweltfreundlich
- Geringere Bau- und Materialkosten. Bei engagierter Eigenleistung können bis zu 20% der Kosten eingespart werden. Strohballenbau ist durch seine leichte Erlernbarkeit für Selbstbauer gut geeignet
- Der Baustoff Stroh ist zu 100% recycelbar und kann so dem natürlichen Verwertungskreislauf zugeführt werden - Durch den diffusionsoffenen Wandaufbau wird ein hervorragendes Wohnklima erreicht
- Auch ohne chemischen Brandschutz halten verputzte Strohballenwände bis zu 90 Minuten dem Feuer stand
Nachteile:
- Stark witterungsabhängige Bauweise. Feuchtigkeit während der Bauphase kann zu späteren Bauschäden führen - Feuergefahr während der Bauphase. Unverputzte und nicht verdichtete Strohballen brennen
- Hohes Setzmass. Daher ist ein Verpressen der Wände notwendig und vor dem Innenausbau die Setzungsphase von etwa einem Monat abwarten
- Die grossen Wandstärken ergeben mehr Aussenmass und erfordern einen höheren Grundstücksbedarf bei gleicher Wohnfläche.
- Bauten mit mehr als zwei Geschossen können genehmigungsrechtlich mehr Vorlaufzeit in Anspruch nehmen.